Warum wir Optionen und Leerverkäufe so dringend brauchen

Der Markt befindet sich im freien Fall. Die Kurse stürzen auf gesamter Breite in den Keller und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Ursachen dafür sind vielschichtig, die Ergebnisse sind katastrophal: Das Wachstum stagniert, das Handelsvolumen bricht ein, Gewinnmöglichkeiten werden zur Nadel im Heuhaufen und frustrierte Newcomer verlassen schaarenweise das Spiel.
Eines ist klar: Ein fallender Markt sorgt dafür, dass niemand mehr wirklich sinnvolle Longpositionen aufbauen kann, niemand mehr wirkliche Gewinne machen kann und der Spaß am Spiel langsam aber sicher flöten geht. Die Möglichkeit der Kapitalherabsetzung und der gehobene Anleihenzins sind gutgemeinte Gegenmaßnahmen, aber leider nur Tropfen auf den heißen Stein. Was fehlt, ist die Möglichkeit, auch in einem fallenden Markt, relevante Gewinne zu erzielen. Ein Widerspruch in sich?

Nein! Die reale Wirtschaft bietet uns unzählige Beispiele für Finanzinstrumente, die auch in fallenden Märkten Rendite versprechen. Diese sind teilweise hochkomplex und riskant, teilweise bestechend simpel und sicher. Zwei der letzten Kategorie möchte ich hier vorstellen.

I. Optionensilhouettes-81817_640
Wikipedia definiert eine Option als „ein Recht, eine bestimmte Sache zu einem späteren Zeitpunkt zu einem vereinbarten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.“
Denkbar sind sowohl Kaufoptionen  als auch Verkaufoptionen. Bei einer Kaufoption erwirbt der Optionskäufer das Recht, zu einem bestimmten Termin eine Aktie  zum vorher festgelegten Preis vom Optionsverkäufer (Stillhalter) zu kaufen. Eine Verkaufsoption funktioniert genau umgekehrt: Der Optionskäufer erwirbt das Recht, eine Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt zum vorher festgelegten Ausübungspreis an den Stillhalter zu verkaufen. Der Stillhalter verpflichtet sich also, die Aktie gegebenenfalls zu kaufen.

Der Optionsverkäufer bekommt in beiden Fällen eine Gebühr für die Option.
Was genau bringt dieses Konstrukt? Das möchte ich an ein paar Beispielen erläutern.

Beispiel I.1.
Anna kauft von Bert eine Kaufoption für Aktie C zum Ausübungspreis von €10,00 für eine Gebühr von €0,50. Bert freut sich, weil er €0,50 Gewinn gemacht hat.
Während der Laufzeit steigt der Kurs von C auf €15,00. Anna sagt:“Geil! Ich übe meine Option aus!“ Jetzt muss Bert die C-Aktie an Anna für €10,00 verkaufen, obwohl sie eigentlich schon €15,00 Wert ist. Anna freut sich!

Beispiel I.2.
Doro kauft von Emil eine Kaufoption für Aktie C zum Ausübungspreis von €10,00 für eine Gebühr von €0,50. Emil freut sich, weil er €0,50 Gewinn gemacht hat.
Während der Laufzeit sinkt der Kurs von C auf €5,00. Doro sagt:“Verdammt! Ich lasse die Option verfallen.“ Sie könnte zwar die C-Aktie durch Ausübung der Option von Emil für €10,00 kaufen, aber auf dem Markt bekommt sie die Aktie billiger. Emil freut sich, weil er €0,50 Gewinn gemacht hat.

Viel interessanter sind aber im fallenden Markt Verkaufsoptionen:

Beispiel I.3.
Fritz kauft von Gerda eine Verkaufsoption für Aktie C zum Ausübungspreis von €10,00 für eine Gebühr von €0,50. Gerda freut sich über ihre €0,50 Gewinn.
Während der Laufzeit sinkt der Kurs von C auf €5,00. Fritz sagt: „Hähä! Ich übe meine Option aus!“ Jetzt muss Gerda die C-Aktie für €10,00 kaufen, obwohl sie eigentlich nur €5,00 wert ist. Fritz freut sich!
Warum ist das so toll? Fritz ist ein gewiefter Trader und ein motivierter Spieler. Er will handeln. Er weiß aber, dass es im fallenden Markt schwachsinnig wäre, C-Aktien zu erwerben. So, wie das AG-Spiel momentan funktioniert, wird er gezwungen, stillzuhalten, nichts zu tun. Das ist langweilig. Durch die Möglichkeit, Verkaufsoptionen zu kaufen, könnte er auch sinnvoll in den fallenden Markt investieren, bzw. mit den Aktien, die er schon hat, bessere Geschäfte machen. Er hat mehr Spaß und bleibt im Spiel.
Und was ist mit Gerda? Gerda war sich sicher, dass die C-Aktie steigt. Sie hat ein gutes Geschäft gewittert. Klar, sie hat sich geirrt. ABER: Durch den Umweg über die Option hat sie immerhin ihre Verluste reduzieren können. Wäre sie direkt long gegangen, hätte sie €0,50 mehr verloren. Eigentlich eine Win-Win-Situation!

Beispiel I.4.
Heino kauft von Irene eine Verkaufsoption für Aktie C zum Ausübungspreis von €10,00 für eine Gebühr von €0,50. Irene freut sich über ihre €0,50 Gewinn.
Während der Laufzeit steigt der Kurs von C auf €15,00. Heino sagt: „Mistikack! Ich lasse die Option verfallen.“ Irene darf ihren Gewinn behalten und freut sich.
Hier ist die Situation umgekehrt vom Beispiel II.3.: Heino hat sich verspekuliert, Irene hat richtig getippt. Irene hat Geld gemacht und gleichzeitig ihr Risiko vermindert. Heino hätte, wenn er direkt verkauft hätte, einen größeren Verlust gemacht, als hier über die Option.

Man sieht also: Optionen können den Handel ankurbeln, weil sie Risiken reduzieren und die Möglichkeit bieten, auch in fallenden Märkten Geld zu verdienen. Natürlich muss man mit ihnen umgehen können/lernen. Aber das ist auch bei Zertifikaten, Aktien und sogar Anleihen nicht anders.
Gewiss müsste man noch ganz genau überdenken, wie Optionen im Spiel umgesetzt werden könnten. Man müsste das Missbrauchspotential abstecken usw. usf. Aber das ist eine machbare Aufgabe – Der Gewinn für das Spiel wäre immens!

statistics-215526_640II. Leerverkäufe
Noch weitaus spannender könnten Leerverkäufe sein. Wikipedia definiert einen Leerverkauf als „den Verkauf von […] Wertpapiere[n] […],über die der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt nicht verfügt. Um seine künftige Lieferverpflichtung erfüllen zu können, muss er sich bis zum Erfüllungszeitpunkt durch den Kauf der [Wertpapiere] eindecken.
Im Klartext: Der Leerverkäufer verkauft eine Aktie, die er sich „ausgeliehen“ hat. Zu einem späteren Zeitpunkt muss er diese Aktien kaufen, damit er sie dem „Verleiher“ zurückgeben kann. Der Verleiher bekommt hierfür eine Gebühr.
Um zu erklären, welchen Sinn so ein Manöver hat, kommen wieder ein paar Beispiele.

Für alle Beispiele gilt: Jupp besitzt C-Aktien. Er will die auch behalten. Aber Jupp ist auch ein schlaues Bürschchen und will so viel Geld verdienen, wie es nur geht. Deshalb verleiht er seine Aktien gegen Gebühr an Leerverkäufer.

Beispiel II.1.
Karla denkt sich: „C-Aktien sind Blödmist und werden bald sinken.“ Was macht Karla? Im Moment gar nichts, weil sie mit C-Aktien nicht verdienen kann. Wenn es aber die Möglichkeit des Leerverkaufs gibt, verkauft sie C-Aktien, die sie sich gegen Gebühr von Jupp ausleiht. Jupp freut sich, weil er Gewinn gemacht hat.
Lutz denkt sich: „C-Aktien sind Supidupi und werden bald steigen.“ Er kauft also die Aktien von Karla.
Während der Laufzeit der Leihe sinken die Aktien tatsächlich. Karla kann sich am Markt günstig eindecken, Jupp seine Aktien zurückgeben und hat Gewinn gemacht. Sie freut sich, dass sie im fallenden Markt Geld verdient hat.
Das ist schon mal alles gut, aber der echte Clou kommt erst noch: Karla muss ja neue Aktien kaufen. Das heißt, sie muss die Nachfrage erhöhen zu einem Zeitpunkt, zu dem keiner kaufen will. Der Effekt? Der Kursverfall wird abgebremst oder sogar umgedreht. Alle sind glücklich!

Beispiel II.2.
Mareike denkt sich: „C-Aktien sind Blödmist und werden bald sinken.“ Sie verkauft also C-Aktien, die sie sich gegen Gebühr von Jupp ausleiht. Jupp freut sich, weil er Gewinn gemacht hat.
Norbert denkt sich: „C-Aktien sind Supidupi und werden bald steigen.“ Er kauft also die Aktien von Mareike.
Während der Laufzeit der Leihe steigen die Aktien. Norbert freut sich, weil er Aktien kaufen konnte, die sonst vielleicht niemand verkauft hätte.
Mareike ist traurig, weil sie jetzt Aktien teuer einkaufen muss. Aber sie wäre auch ohne Leerverkäufe traurig gewesen, denn dann hätte sie von Anfang an gar nicht in Aktion treten können. Außerdem hat die Börsenaufsicht durch intelligente Regularien dafür gesorgt, dass sie nicht ihr ganzes Geld in Leerverkäufe binden konnte und somit ihre Verluste begrenzt.
Der Markt ist glücklich, weil durch die Nachfrage die Mareike jetzt schaffen muss, die Kurse noch weiter steigen. Da können alle dann noch ordentlich mitverdienen!

Beispiel II.3.
Otto, der Fiesling, denkt sich: „Haha! Ich treibe die Kurse von C-Aktien in die Höhe und verkaufe sie an ahnungslose Newcomer und mache den dicken Reibach!“ Also treibt er die Kurse hoch!
Paula ist schlau und erkennt das sofort. Aber weder kann sie es beeinflussen (sie hat keine C-Aktien und nur wenig Geld), noch kann sie alle Newcomer warnen. Momentan ist sie traurig, weil sie ein gute Seele ist und den Otto-Opfern nicht helfen kann.
Aber da kommt ihr die Idee: Sie verkauft C-Aktien leer! (Jupp freut sich). Dadurch wird die Kursmanipulation von Otto gebremst. Richard sieht, dass Paula leer verkauft und denkt sich: „Hmmm. Paula ist schlau. Was ist denn da los?“ Er überprüft die Fundamentaldaten von C und erkennt, dass der Kursanstieg nicht gerechtfertigt ist. Auch er verkauft leer. (Jupp grinst über das ganze Gesicht). Am Ende können alle Leerverkäufer die Kurstreiberei stoppen und die Spekulationsblase frühzeitig platzen lassen. Ein größerer Schaden wird vom Markt und von Newcomern abgehalten. Alle sind glücklich, nur Otto – der Schuft – schaut in die Röhre und muss in Zukunft auf ehrliche Weise sein Geld verdienen.

III. Fazit:euro-317926_640
Optionen und Leerverkäufe bergen zwar kleinere Risiken, vor allem können sie aber große Chancen mit sich bringen. Ihr größter Vorteil ist, dass sie uns Verdienstmöglichkeiten in fallenden Märkten bescheren! Damit können sie das Spiel spannender und spaßiger gestalten und Frustration vorbeugen und somit die Spielerzahl hoch halten!
Wenn die Börsenaufsicht für klare und sinnvolle Regularien sorgt, können die Risiken sehr stark begrenzt werden. Und es kommt noch besser: Leerverkäufe sind besonders für kleine und mittlere AGs interessant. Die Großen sind ohnehin meist am Großteil der potentiellen Leerverkaufsobjekte beteiligt – sie würden also wahrscheinlich auf das Instrument verzichten. Für die kleinen und mittleren ergeben sich aber neue Handelschancen – auch, weil man für Leerverkäufe weniger Kapital braucht, als für Longpositionen. Des Weiteren können Optionen und Leerverkäufe ein effektives Frühwarnsystem bei Kursmanipulationen und Spekulationsblasen darstellen und somit die Risiken gerade für Newcomer minimieren. Am Ende freuen sich Anna, Bert, Doro, Emil, Fritz, Gerda, Heino, Irene, Karla, Lutz, Mareike, Norbert, Paula, Richard und alle anderen Spieler! Selbst Otto wird sich freuen, dass er nicht mehr auf fiese Manipulationen angewiesen ist!

IV. Nachwort

Obwohl ich mich selbstverständlich auch Gedanken um praktische Umsetzungsmöglichkeiten und Problemvermeidungen gemacht habe, sollen diese nicht Inhalt dieses Artikels sein. Natürlich sind auch Bedenken bezüglich der Umsetzbarkeit in den Kommentaren willkommen, aber ich werde darauf nicht detailliert eingehen. Hier geht es um die Chancen, die Optionen und Leerverkäufe bieten.

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