Der faire Preis (kurz: FP) einer Aktie ist eines der am häufigsten verwendeten Kriterien zur Ermittlung eines guten Kauf- oder Verkaufkurses. Im Gegensatz zum Buchwert ändert sich der FP nur einmal pro Tag und ist nicht ganz so einfach zu manipulieren wie der Buchwert. Trotzdem nahmen Manipulationen rund um den FP bzw. die FP30-Prognose und den auf dieser Basis berechneten Highscores Besorgnis erregende Ausmaße an. Daher entschloss sich die Börsenaufsicht vor einiger Zeit zu einer Überarbeitung der FP30-Berechnung, die den Indikator gegen die bisher gängigen Manipulationen schützen soll. Wir erläutern das Prinzip des FP, beleuchten Vor- und Nachteile des FP30-Konzepts und unterhielten uns mit dem Urheber des FP30-Prognoseskripts, Herrn kmscheuer, über die geplante Neuberechnung des FP30.
Der FP ist der Versuch neben dem volatilen Buchwert einer Aktie einen etwas schwankungsunabhängigeren Preis zu ermitteln, der auf mittlere Sicht einen fairen Wert ausdrücken soll. In diesem Indikator bleiben jedoch bevorstehende Kapitalerhöhungen oder andere öffentliche Informationen (z.B. Gerüchte aus der Zeitung) unberücksichtigt. Dabei können vor allem Gerüchte erhebliche (kurzfristige) Auswirkungen auf den Kurs einer Aktie haben. Auch Erwartungen an die Zukunft sind im Fairen Preis nicht berücksichtigt. Daraus erklärt sich auch die unterschiedliche Höhe des Kurses und des Buchwerts, sowie des Buchwerts und des FP. Daher ist es für Anleger wichtig eine längerfristigere Maßzahl zur Verfügung zu haben. Ermittelt wird der FP durch ein iteratives Verfahren, d.h. er wird innerhalb von 50 sich wiederholenden Rechnungsschritten berechnet. Dabei dient der Buchwert pro Aktie des Vortages laut Bilanz als Startwert, anschließend folgt die Iteration mit einer Bewertung des Depots gemäß FP der dort gehaltenen Aktien usw. Die Berechnung nähert sich mit jedem der 50 Rechenschritte dem am Ende errechneten FP an.
Die FP30-Prognose liefert, wie der Name schon sagt, eine Prognose des FP in 30 Tagen. Wie alle Prognosen über die Zukunft ist sie fehlerbehaftet, allein schon weil eine sichere Aussage über die Zukunft am Börsenmarkt generell nicht möglich ist. Dennoch ist sie grundsätzlich ein gutes Prognosewerkzeug, um den auf der Basis der vergangenen FP-Entwicklung im Bereich des Machbaren liegenden zukünftigen FP-Wert der Aktie darzustellen. Gerade für mittel- bis langfristig orientierte Anleger ist diese Information wichtig, um einen akzeptablen Kaufpreis auch dann abschätzen zu können, wenn die Aktie zum Zeitpunkt des Kaufs überbewertet ist. Berechnet wurde die FP30-Prognose bisher durch eine exponentielle Glättung der FP-Renditen der letzten 30 Tage mit einem Glättungsfaktor von 0,3. Dies bringt eine stärkere Berücksichtigung der neueren als der älteren Daten mit sich und macht sich durch eine starke Schwankungsanfälligkeit der Prognose bemerkbar, etwa wenn der FP stark zugelegt hat oder stark gesunken ist.
In den nächsten Tagen wird eine Neuberechnung des FP30 in Kraft treten, die den umfangreichen und systemisch gewordenen Manipulationen (Marktinside berichtete) und ein paar anderen Schwächen der bisherigen Prognose ein Ende bereiten soll. Was neu ist und warum der FP30 überarbeitet werden musste, fragten wir Herrn Scheuer von der Solid Profit AG:
Herr Scheuer, was ist neu an der Berechnung des FP30 und warum brauchte es diese Neuerungen?
Um die Neuerungen des FP30 zu erläutern muss erstmal festgehalten werden, was die Probleme der alten Berechnung waren. Dazu lohnt es sich einen kurzen Blick auf die Entstehung zu werfen:
Der FP war mit seiner Einführung zur stärksten Metrik überhaupt im Spiel geworden. Da er Über- und Unterbewertungen rausrechnete war er deutlich brauchbarer als zum Beispiel der reine Buchwert oder Kurs. Problematisch war nur die Vorhersage der FP-Entwicklung, was mit stärker anziehenden Kursen immer wichtiger wurde. Man wollte ja nicht deutlich über FP einkaufen, wenn man auf mittelfristige Sicht nicht gewinnbringend verkaufen konnte.
Der FP30 war ein Schnellschuss, der mittels exponentieller Glättung den FP auf 30 Tage vorhersagte. Dies funktionierte bei gleichmäßig wachsenden AGs ganz gut. Was sich als problemhaft erwies, war aber die stärkere Gewichtung der neusten Werte. Diese stärkere Gewichtung soll eigentlich dazu dienen, dass auf aktuelle Ereignisse präziser reagiert werden kann und alte Erfolge nicht zu lange vorhalten. Dadurch, dass der FP aber nach unten hin zur 0 begrenzt ist und nach oben hin keine Grenzen kennt, konnte hier durch gezielte FP-Manipulation auch massiv der FP30 beeinflusst werden. In der Anfangszeit war dies überhaupt kein Problem, weil sich niemand die Mühe der Manipulation machte, da es wenig damit zu verdienen gab.
Das Problem fing an als eine neue Indexberechnung benötigt wurde, weil der Buchwert zu leicht zu manipulieren war. Mangels Alternativen wurde eine einfache Punkteberechnung auf Basis des FP30 eingeführt. Später wurde dieses Punkteberechnung auch dem AG-Highscore und dann dem AGSX für Zertifikate zu Grunde gelegt.
Nun waren durch Indexgewinne und Zertifikatsspekulationen genug Anreize da, um den FP gezielt zu manipulieren, um über die Punkte Einflüss auf den AGSX und den Indizehighscore zu nehmen. Dieses Treiben währte lange, weil es sehr schwierig ist manipulierten FP-Werten beizukommen und andere Metriken eher noch leichter zu manipulieren sind.
Damit wären wir auch beim neuen FP30, der genau hier ansetzt: Anormale FP-Schwankungen werden erkannt und rausgefiltert, so dass nur noch die normale FP-Entwicklung übrig bleibt, was diese Art der Manipulation schon sehr stark einschränkt. Weiterhin wurde die Berechnung mit exponentieller Glättung vollständig verworfen und ein Ansatz gewählt, der deutlich präzisere Vorhersagen auf Basis von sinnvollen Werten machen kann. Geblieben ist, dass die neuere FP-Entwicklungen stärkeren Einfluss auf die Prognose haben als die Altwerte.
Zusätzlich wurde die Berechnung so angepasst, dass bei neuen AGs auch die Anleihen berücksichtigt werden, so dass bereits am ersten Abend schon eine FP30-Vorhersage getroffen werden kann. Auch die Punkte wurden entsprechend angepasst, so dass der Angriffsvektor FP aus der alten Formel FP30/FP * 1000 entfernt werden konnte. Die Punkteberechnung hat nun alle Schutzmechanismen der neuen FP30-Berechnung und ist so wesentlich schwieriger manipulierbar.
Um das neue FP30-Skript robust zu gestalten, wurde erstmals auf testgetriebene Entwicklung gesetzt. Jede Zeile des Skripts ist durch Tests gesichert. Um den neuen FP30 auf Tauglichkeit zu testen, wurden die FP-Werte einiger AGs als Testfälle verwendet. Zusätzlich wurden extreme Testfälle aufgestellt, die auch die Randbedingungen testen. So konnte der FP30 immer weiter verfeinert werden. Das Ergebnis stimmt mich sehr positiv. Im Vergleich zum alten FP30 sind die neuen Werte deutlich besser und liegen nah an dem tatsächlichen Wert in 30 Tagen.
Wird diese Überarbeitung des FP30 das Ende aller Manipulationen sein?
Sicher nicht. Das ist auch gar nicht möglich, weil jeder Wert im AG-Spiel manipuliert werden kann. Genau genommen besteht der ganze Aktienhandel ja aus Manipulation von Werten, da kann man immer irgendwie angreifen. Das einzige, was man aus Sicht der Börsenaufsicht machen kann, ist den Aufwand für solche Manipulationen immer weiter zu erhöhen. Je mehr Geld die einzelnen Spieler zur Verfügung haben, desto leichter können sie natürlich auch starken Einfluss auf den Gesamtmarkt ausüben. Das ist immer wieder ein neuer Kampf dagegen an zu programmieren.
Bei den neuen Punkten wird jemand, der extrem überdurchschnittliche FP-Wachstumswerte aufweist nicht wie früher auch extrem belohnt. Durch gezielte Auswertung von FP-Entwicklungen ist es möglich, die AGs zu erkennen, deren FPs manipuliert wurden und nicht durch normalen Handel, Übernahmen oder Kapitalerhöhungen gewachsen sind. Diese AGs werden mit einer mittleren Punktzahl bewertet, da nicht mehr festgestellt werden kann, wie der tatsächliche Wert der AG ist. Entwickelt sich die AG nach einem FP-Sprung aber normal weiter, passen sich die Punkte auch gleichermaßen an.
Das heißt auch die Highscores werden nun aussagekräftiger?
Das hoffen wir, ja. Die neuen FP30-Werte sollen deutlich bessere Vorhersagen sein, als die bisherigen. Folglich sollten auch die Highscores jene AGs, die dauerhaft gut performen, auch weiter oben positionieren. Da ja letztendlich die prozentuale Steigerung entscheidend ist, haben die kleineren AGs hier die Nase klar vorn. Die Schwergewichte können mit ihren geringen Wachstumsraten eher keine vorderen Plätzer erlangen. Als Ausgleich und damit der AGSX repräsentativer wird, ist hier aber auch eine Anpassung geplant. Am Highscore selbst wird sich nichts zu Gunsten der größeren AGs ändern, aber die Zusammensetzung des AGSX wird bald nach einer neuen Regelung erfolgen.
Sie sprachen es gerade schon an: Die Besetzung des AGSX wird sich ändern. Worin genau besteht diese Änderung?
Hier ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Der AGSX soll ja stellvertretend für den Gesamtmarkt sein. Nur die am stärksten wachsenden AGs reinzunehmen wird dem Gesamtmarkt nicht gerecht. Es wird wahrscheinlich auf eine Neuzusammensetzung aus den größten AGs und den am stärksten wachsenden AGs, also denen mit der höchsten Durchschnittspunktzahl im AG-Highscore, hinauslaufen.
Welche Auswirkungen auf den Markt als Ganzes bzw. auf das Handelsverhalten erwarten Sie durch den neuen FP30? Bei den Zertifikaten insbesondere auch Auswirkungen durch die neue AGSX-Zusammensetzung?
Mit genauen Erwartungen bin ich vorsichtig. Wünschen würde ich mir, dass der neue FP30 so gut funktioniert, dass die Marktteilnehmer ihn als Metrik für Investments auf Monatsbasis heranziehen. Sollte das der Fall sein, dürften die Kurse stärker anziehen und schlecht performende AGs auch mal unter FP abgewatscht werden. Im Markt gibt es im Moment viele AGs, deren Kurs gar nicht zu ihrer Performance passt. Da könnte der neue FP30 positiv entgegenwirken.
Beim AGSX ist zu erwarten, dass er eine deutlich niedrigere Punktzahl haben wird. Zum einen, weil die Neubesetzung mit mehr großen AGs auf die Punkte drückt, zum anderen, weil die neue Punkteberechnung deutlich weniger euphorisch sein wird.
Es ist zu erwarten, dass sich sehr gute AGs im Bereich von 1.300 bis 2.000 Punkten bewegen werden. Es könnte sein, dass allgemein die Schwankungen der AGSX-Punkte geringer werden und die Vorhersage dadurch schwieriger. Sollte Put und Call oft wechseln, sind auf beiden Seiten hohe Hebel zu erwarten, was dem Zertifikatsmarkt eine neue Dynamik geben kann. Das ist aber rein spekulativ. Wie es sich genau entwickeln wird, ist sehr schwierig vorherzusagen.
Herr Scheuer, ich danke Ihnen für diese sehr informativen und umfassenden Einblicke. Ich bin mir sicher, dass diese Veränderungen an der Berechnung des FP30 und an der Zusammensetzung des AGSX jeweils für neue Verhaltensweisen am Markt sorgen werden.
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