Über- und Unterbewertung

diophantosIst eine Aktie über- oder unterbewertet? Keine Frage wird man wohl häufiger hören, wenn sie auch meist in anderer Form gestellt wird.
Sie ist in erster Linie einfach nur bewertet, sie ist exakt so bewertet wie der Markt sie sieht, und eben jener bewertet die zukünftigen Aussichten.

Die Frage sollte also eher lauten:“Sind die anderen Börsianer solche Dummköpfe, dass sie all das Potenzial nicht erkennen?“ Der Einfachheit halber will ich bei den gemeinhin verwendeten Begrifflichkeiten bleiben, der wahre Hintergrund sollte jedoch nicht vergessen werden. Bewerten muss jeder Börsianer selbst, und seine Bewertung durchsetzen kann er nur mit Käufen und Verkäufen, die das bisherige gehandelte Volumen weit übersteigen. Der Clou liegt also darin, Fehler der Masse zu erkennen bevor eben jene diese selbst erkennt. Und genau das stellt eine Unterbewertung dar. Ein Denkfehler der Masse kann vom einzelnen Spekulanten als Unterbewertung wahrgenommen werden.

Kennzahlen als Hilfsmittel

Genannte Denkfehler gilt es also auszumachen. Die einen versuchen dies mit dem Verhältnis von Kurs und Substanzwert, die anderen suchen sich eine beliebige andere Kennzahl. Anschließend spricht man nach wilder Rechnerei von über- oder unterbewerteten Papieren. Wäre die Vergangenheit – denn das sind Kennzahlen – so ein einfaches Mittel zur Weissagung, wir wären alle Deterministen, Computer würden den Spekulanten überflüssig machen, und die Börse wäre tot. Kennzahlen können trotzdem hilfreich sein, denn an der Spitze einer jeden Aktiengesellschaft steht im AG-Spiel ein Individuum, und eben jene verändern sich in ihrer Persönlichkeit nicht blitzartig. Da eben die Persönlichkeit eines Vorstandsvorsitzenden Einfluss auf sein Handeln nimmt, ist eine gewisse Folgerung von Vergangenheit auf Zukunft nicht zwingend schlecht. Das Verhältnis von Kurs und Kennzahlen ist dafür jedoch an sich nicht geeignet. Die Änderung eben jener Verhältnisse und eben jener Kennzahlen geben Aufschluss über die Entwicklung einer Gesellschaft, auf Basis eben jener Werte kann man Schlussfolgerungen treffen, die die Chancen der bisherigen Strategie im aktuellen Marktumfeld betreffen. Will man beispielhaft eine sehr sichere Investition tätigen, dann betrachtet man die bisherige Entwicklung des Wachstums einer Kennzahl, die Änderungsraten des Wachstums eben jener, und schlussendlich wird das Verhältnis des Kurses zu dieser Kennzahl begutachtet und anhand der Wachstumsdaten eine Prognose aufgestellt, wann die Kennzahl den Kurs gewissermaßen eingeholt haben könnte. Selbstverständlich ist zusätzlich eine Prognose nötig, ob die Gesellschaft bis dahin nicht in einem Marktsegment ist, welches traditionell niedriger bewertet wird. Meines Erachtens ist dies lediglich eine brauchbare Art der Analyse, wenn einige wenige Monate als Investitionszeitraum vorgesehen sind.

Insiderinformationen

Nichts ist einfacher als anhand von Insiderinformationen eine Prognose zu erstellen, die all denen anderer Markteilnehmer überlegen ist. Schließlich sind Reaktionen auf brisante Informationen meist recht einfach vorauszuahnen. In diesem Fällen ist der Rest tatsächlich dümmer – im Sinne vom unwissend.

Die Strategie des Vorstandsvorsitzenden

Für ein Unternehmen ist nichts wichtiger als die Strategie seines Vorstandsvorsitzenden. In unserem schönen Spiel funktioniert jede Strategie jedoch nur für gewisse Segmente unseres Marktes. Ein Milliardär kann nicht handeln wie ein Newcomer, er kann höchstens wenige Millionen so anlegen wie eben jene, dies wird aufgrund seiner Größe jedoch zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Als Beispiel sei der Handel mit Gesellschaften in oder kurz vor ihrer Liquidation genannt. Schafft es ein Spieler, eine passende Strategie für den Anfang zu finden, dann zahlen viele größere Gesellschaften gerne ein Kapitalerhöhung. Übersehen wird dabei oft, dass ein Wandel der Strategie nicht leicht für das Gemüt des Spielers ist, eben jener Wandel muss beim Wechsel des Marktsegments vollzogen werden.

Fazit

Kann ein Spieler seine Strategie also wandeln, dann wird er auch mit einer bereits gewachsenen Gesellschaft weiterhin Erfolg haben und könnte tatsächlich unterbewertet sein. In jedem Fall sollten die Verhältnisse von Kennzahlen und Kursen (inklusive Handelsvolumen) dabei nicht ignoriert werden. Insiderinformationen können eine fundierte Analyse über den Haufen werfen, bestätigen, oder eben untermauern. Aber vergessen sollte man nie, dass eine fehlerhafte Bewertung aus eigener Sicht die Ansicht bedeutet, jeder andere Spieler sei offensichtlich nicht in der Lage, diese Chance gerade zu erkennen.

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