Die massive Überbewertung von AGs war lange Zeit eine weit verbreitete Begleiterscheinung unseres Aktienmarktes. Eine Konsequenz aus der immer weiter anschwellenden Geldmenge und einer relativ dazu rückläufigen Anzahl von AGs. Vorbei. Ein Blick auf die entsprechende Statistik zeigt, dass der durchschnittliche Börsenwert/ Buchwert Indikator massiv gefallen ist und sich mit rund 118%, also einer durchschnittlichen Überbewertung von 18%, in einem gesunden Rahmen bewegt.
Woran das liegt ist nicht genau festzustellen, möglicherweise hat die im Vergleich zu früher höhere Anzahl von AGs einen etwas flexibleren Markt geschaffen, in dem massive Überbewertungen nicht mehr lange Bestand haben. Eine andere Erklärung könnten alternative Anlageformen wie Zertifikate oder dynamische Anleihen sein, die Geld aus dem reinen Aktienmarkt abgesaugt haben und zu dem Rückgang der Überbewertungen geführt haben. Vielleicht sind es auch die oft zitierten Vorfälle von windigen Kurspushereien, die den Markt dafür sensibilisiert haben und großangelegte Kursmanipulationen nicht mehr für jeden möglich zu machen.
Nicht für jeden, aber für manche: Die TOP AG (101493), ein Urgestein des Börsenmarktes und am 19.10.2011 neu gegründet, ist die mit Abstand am höchsten (über)bewertete AG des Marktes. Mit einem Buchwert/ Börsenwert-Verhältnis von 1027 bringt die AG einen Börsenwert von sage und schreibe 604.000.000 Euro auf die Waage. Natürlich ist dies Folge der erwähnten massiven Überbewertung, einmalig unter den AGs dieser Größe, aber es entspricht immerhin ca. 11% des gesamten Marktvolumens (Ø Depotwert * (2 *Anzahl AGs)) von aktuell rund 5.500.000.000 Euro, in Worten: Fünf Milliarden Fünfhundertmillionen Euro. Damit ist die TOP AG einsame Spitze unter allen AGs, sowohl im Wert als auch in Sachen Überbewertung.
Wilbur, Vorstandsvorsitzender der TOP AG, agiert weitestgehend im Verborgenen, öffentliche Auftritte sind selten. Zwar sind die Geschäftsaktivitäten der TOP AG wie bei jeder anderen AG recht gut einsehbar, öffentliche Äußerungen zu seiner Strategie oder gar Bilanzvorstellungen sind seine Sache jedoch nicht. Zuletzt machte er mit dem Aufruf zur Gründung eines Zinskartells von sich Reden, was umgehend zu einer Anpassung der Anleihezinsberechnung in Echtzeit führte: Ein Vorstandsvorsitzender, der schon durch Absichtserklärungen den Markt bewegen kann.
Die Mitgliedschaft in der Börsenaufsicht hat damit eher wenig zu tun. Es ist die Verbindung aus äußerst geschicktem Management und stiller Omnipräsenz, die für diesen Einfluss sorgt: Die TOP AG hat sich ohne Kapitalerhöhung seit Neugründung im Oktober 2011 einen Buchwert von rund 58 Mio. Euro erarbeitet und noch immer schafft die TOP AG eine Monatsrendite von 20%, ein einmaliges Wachstum auf der Überholspur. Die massive Überbewertung wäre also an sich gar nicht notwendig, um den Beobachter in Erstaunen zu versetzen.
Der interessantere Bereich ist jedoch das anonyme Privatdepot: Seit eines geschickten Übernahmedeals dürfte Wilbur über das mit weitem Abstand größte Privatdepot am Markt verfügen, Schätzungen reichen von zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen. Mit diesem gewaltigen Vermögen kann er in aller Stille schalten und walten. Auch wenn ein großer Teil davon in private Anteile der TOP AG investiert worden sein dürfte (98,7% der TOP-Aktien liegen in Privatdepots), verbleiben erhebliche Geldmittel, um den Börsenmarkt auf subtile Weise zu erobern. Geht man von dem umsichtig verwalteten Aktiendepot der AG aus, dürfte das Privatdepot ähnlich differenziert aufgebaut sein. Genaueres liegt jedoch im Dunkeln, alle dahingehenden Aussagen sind daher höchst spekulativ.
Fest steht jedoch, dass Wilbur wie kein Zweiter den Börsenmarkt bewegen kann, still und unerkannt per Privatdepot. Die einzige Stelle, an der diese Macht offen zu Tage tritt ist seine eigene AG: Wie schon beschrieben befinden sich über 98% der TOP-Aktien in Privatbesitz, vermutlich zum größten Teil in Wilburs Hand. Dadurch ist es ihm möglich den Kurs seiner eigenen AG nach Belieben zu steuern, was die einzige stichhaltige Erklärung für die permanente exzessive Überbewertung ist. Pendelte der Kurs bis vor wenigen Tagen noch in der höchst aufregenden Spanne zwischen 400€ und 400,01€, so wurde der Kurs nun auf ein neues Niveau gehoben: 722€ bzw. 722,01€ sind die neuen Zahlen der Stunde.
Überbewertungen an sich sind nicht so schlimm, sie korrigieren sich zudem im Zeitverlauf früher oder später von selbst. Riskant wird es aber für andere Anleger, die sich die völlig überteuerten Aktien selbst ins AG-Depot legen. Schon relativ kleine Mengen können massive Konsequenzen haben in Form eines drastischen FP-Verfalls, so bereits bei zahlreichen AGs beobachtet.
Was bleibt ist eine sehr gut wachsende AG, die auf Grund der massiven und zementierten Überbewertung nicht handelbar ist, ein Vorstandsvorsitzender mit einem großen, anonymen Privatvermögen und manche AG, die sich mit überbewerteten TOP-AGs die Finger verbrannt hat.
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